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Berechnet man diese Breite aus den Tabellen 3 und 6, indem man für die Quotienten Q/9, Mittelwerthe benutzt, so erhält man aus Tabelle 3, und zwar aus den Werthen B— A mit Benutzung der Geschwindigkeit v = 360 cm:

b=0,0030 cm.

Ferner aus Tabelle 6 für die Reihe B-A mit der Geschwindigkeit von 146 cm:

b = 0,0043,

und für die Reihe C-A mit der Geschwindigkeit von 434 cm: b = 0,0041.

Die beiden letzten Zahlen sind wenig voneinander verschieden, die erste nicht unerheblich kleiner, entsprechend dem geringeren Durchmesser des Drahtes. Man kann sich daher von der abkühlenden Wirkung der an warmen Flächen vorübergehenden Luftströme ungefähr die folgende Vorstellung bilden. Wenn ein gleichmässig andauernder, kalter Luftstrom an einem warmen dünnen Draht vorübergeht, so nimmt derselbe eine solche Wärmemenge mit, dass dieselbe im Stande ist eine Luftschicht von der Dicke 6/2 auf die Temperatur des Drahtes zu erwärmen. Bei einem Drahte von 0,01 cm Durchmesser beträgt diese Schicht ungefähr 0,002 cm. Bei einem dünneren Drahte ist sie noch kleiner.

Es soll hiermit nicht behauptet werden, dass nur diese Schicht an der Erwärmung theil nimmt. Vielmehr ist anzunehmen, dass sich der Einfluss derselben bis in tiefere Schichten erstreckt und dort die Temperaturerhöhung geringer ist. Jedenfalls ist aber der obige Zahlenwerth geeignet, eine Vorstellung von der abkühlenden Wirkung der an dem Draht vorbeiströmenden Luft zu geben. Berücksichtigt man andererseits, dass die benutzten Wärmemengen nicht die wahren, sondern jedenfalls etwas zu klein sind, so kann man in erster Annäherung auch die oben aus einfachen, theoretischen Betrachtungen abgeleiteten Sätze als durch die Versuche bestätigt ansehen.

Greifswald, 14. Juli 1895.

11. Anomale Dispersionscurven einiger fester

Farbstoffe; von A. Pflüger.

Einleitung.

1. Die anomale Dispersion, die von Hrn. Christiansen an einer Fuchsinlösung entdeckt und von Kundt bei einer grossen Zahl ähnlicher Körper, insbesondere solcher mit Oberflächenfarben nachgewiesen worden ist, ist nach Kundt durch folgendes empirisch gefundenes Gesetz charakterisirt: Zeigt ein Körper im durchgehenden Lichte starke Absorptionsstreifen, so nimmt der Brechungsindex stark zu, wenn man vom rothen Ende des Spectrums her einem Streifen sich nähert. Bei Annäherung vom violetten Ende her nimmt der Brechungsindex stark ab. Dabei werden die Strahlen grösserer Wellenlänge, die vom rothen Ende aus vor dem Absorptionsstreifen liegen, stärker abgelenkt als die Strahlen kürzerer Wellenlänge hinter dem Streifen.

Dies Gesetz ergiebt sich als nothwendige Folge sowohl aus der älteren elastischen Theorie, die von Sellmeier') und Helmholtz2) zur Erklärung der anomalen Dispersion aufgestellt worden ist, als auch aus der von Helmholtz3) 1893 veröffentlichten electromagnetischen Dispersionstheorie. Beide Theorien gründen sich auf die Annahme, dass die Brechung und Dispersion wesentlich bedingt sei durch das Mitschwingen der Körpermolecüle. Dabei ist die Absorption als ein Energieverlust aufzufassen, der durch einen der Reibung ähnlichen Vorgang entsteht. Die electromagnetische Theorie lässt, wie Helmholtz) bemerkt, die Annahme offen,,,dass Brechungsverhältnisse kleiner als 1, also Geschwindigkeiten höher als im leeren Aether vorkommen können, wie das nach den Untersuchungen von Kundt bei einigen Metallen der Fall ist".

1) Sellmeier, Pogg. Ann. 143. p. 272. 1871.
2) Helmholtz, Pogg. Ann. 154. p. 282. 1875.
3) Helmholtz, Wied. Ann. 48. p. 389. 1893.
4) Helmholtz, Wied. Ann. 48. p. 399. 1893.

2. Besonders stark ausgeprägt und bequem zu beobachten ist die anomale Dispersion beim Fuchsin und Cyanin. Es haben daher diejenigen Forscher, die die Messungen Kundt's und Hrn. Christiansen's wiederholt und geprüft haben, diesen beiden Substanzen besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Insbesondere haben die Hrn. Ketteler1), Pulfrich 2), Sieben3) die alkoholischen Lösungen dieser Farbstoffe vermittelst der Prismenmethode untersucht und die Beobachtungen Kundt's bestätigt gefunden.

Nun bieten diese Untersuchungen zunächst eine Schwierigkeit. Da das Absorptionsvermögen beider Substanzen gerade für die das Hauptinteresse bietende Strahlengattung ausserordentlich gross ist, löscht schon eine Lösung geringer Concentration die Strahlen im Absorptionsstreifen vollständig aus. Um daher den Verlauf der Curve des Brechungsindex auch innerhalb des Absorptionsstreifens beobachten zu können, muss die Intensität des einfallenden Lichtes sehr gross, die Concentration der Lösung sehr gering genommen werden. In der That ist es den genannten Forschern auch nur für sehr schwache Concentrationen gelungen, eine ununterbrochene Curve herzustellen. Durch Beobachtungen an concentrirten Lösungen konnten nur Curvenstrecken ausserhalb des Absorptionsstreifens festgelegt werden.

Mit dieser Schwierigkeit steht aber der principielle Fehler dieser Methode in engem Zusammenhang. Wenn auch der Körper seine Dispersionseigenschaften gewissermaassen in die Lösung hinübernehmen wird, so ist doch klar, dass, wie schon Kundt bemerkt, seine anomale Dispersion mit der normalen des Lösungsmittels sich irgendwie combiniren wird. Was man also beobachtet, ist nur der Brechungsindex einer Lösung von bestimmtem Procentgehalt. Nun ist es bisher nicht gelungen, den Einfluss des Lösungsmittels derart zu eliminiren, dass die Curve des Brechungsindex für den festen ungelösten Körper aus Beobachtungen an Lösungen sich bestimmen lässt. Es ist ferner nicht festgestellt, welche Veränderung die anomalen Eigenschaften des Körpers durch einen möglicherweise vor

1) Ketteler, Wied. Ann. 12. p. 481. 1881; 15. p. 337. 1882.
2) Pulfrich, Wied. Ann. 15. p. 337. 1882.

3) Sieben, Wied. Ann. 8. p. 137. 1879; 23. p. 312. 1884.

handenen chemischen Process innerhalb der Lösung erleiden. Dabei ist anzunehmen und von Hrn. Sieben1) experimentell bestätigt worden, dass mit zunehmender Concentration die Anomalie wächst. Nach alledem lässt sich mit dieser Methode die Erscheinung weder in voller Reinheit noch in ganzer Stärke beobachten.

3. Es wird mithin die Substanz nur in festem Zustande ihre anomalen Eigenschaften völlig ungetrübt zeigen, und es ist daher von besonderem Interesse, Messungen am festen Körper anzustellen, und insbesondere zu untersuchen, ob und wie die Curve innerhalb des Absorptionsstreifens stetig verläuft, ferner, ob der Brechungsindex in einzelnen Fällen einen Werth kleiner als 1 annimmt, wie das bisher niemals beobachtet worden ist. Dabei schien von Interesse, auch Substanzen, die zwei oder mehrere ausgeprägte Absorptionsbanden besitzen, und die also zwei Curvenmaxima bez. minima ergeben müssen, zu berücksichtigen.

Solche Messungen sind durch Beobachtung der elliptischen Polarisation bei der Reflexion an Farbstoffschichten angestellt worden von den Hrn. E. Wiedemann 2), Lundquist3), Merkel.") Es wurde dabei das Brewster'sche Gesetz als richtig angenommen, welches aussagt, dass der Brechungsindex gleich der trigonometrischen Tangente des Haupteinfalls winkels sei. Wie schon Hr. Merkel anführt, wird diese Identität zwar nicht volle Geltung beanspruchen können, doch ist anzunehmen, dass die Hauptincidenz nahezu denselben Gang befolgt wie der Brechungsindex. Des weiteren hat Hr. Wernicke) eine Methode benutzt, die auf der Absorption beruht. Freilich hat Hr. Voigt") gezeigt, dass alle Folgerungen, welche Hr. Wernicke aus seinen Absorptionsbeobachtungen bei normaler und schiefer Incidenz zieht, hinfällig sind, doch werde ich der Vollständigkeit halber auch die Ergebnisse dieser Untersuchung später nebst den anderen anführen.

1) Sieben, Wied. Ann. 23. p. 337. 1884.
2) E. Wiedemann, Pogg. Ann. 151. p. 1. 1874.
3) Lundquist, Pogg. Ann. 152. p. 565. 1874.

4) Merkel, Wied. Ann. 19. p. 1. 1883.

5) Wernicke, Pogg. Ann. 155. p. 87. 1875.

6) Voigt, Wied. Ann. 25. p. 95. 1885.

4. Messungen an einem Prisma von festem Fuchsin hat nur Hr. Wernicke1) angestellt. Doch konnte diese Messung wegen der starken Absorption nur für Strahlen, die das Fuchsin gut durchlässt, nämlich für die Fraunhofer'schen Linien A, B, C, G und H angestellt werden.

Unzweifelhaft ist nun die Methode, den Brechungsindex aus der prismatischen Ablenkung zu bestimmen, die einfachste und sicherste. Um diese Methode bei stark absorbirenden Substanzen anwenden zu können, ist es nöthig, Prismen dieser Substanzen von so geringer Dicke herzustellen, dass sie alle Strahlen des Spectrums hinreichend durchlassen.

Kundt) hat in einigen grundlegenden Untersuchungen die Mittel angegeben. Metallprismen von sehr spitzem Winkel herzustellen, die eine Messung der Ablenkung nach einer einwandfreien Methode mit hinreichender Genauigkeit gestatten. Ich verweise bezüglich dieser Methode auf die citirten Abhandlungen. Weiter haben die Hrn. du Bois nnd Rubens) und Shea) mit Hülfe dieser Methode experimentell nachgewiesen, dass in den Metallen das Snellius'sche Gesetz keine Geltung besitzt, sondern dass die Grösse des Brechungsindex wesentlich vom Einfallswinkel abhängt, eine Frage, die weiter von Hrn. Lorentz") theoretisch behandelt worden ist.

War aber die Methode auf so undurchsichtige Körper wie die Metalle anwendbar, so musste sie auch Aufschluss geben über die Brechungsverhältnisse des festen Fuchsins und verwandter Stoffe innerhalb des Absorptionsstreifens, da diese Farbstoffe hinsichtlich der Grösse der Absorption den Metallen immerhin nachstehen. Ich stellte mir darum zunächst die Aufgabe, die erwähnten Kundt'schen sehr dünnen Biprismen aus den genannten und ähnlichen Farbstoffen herzustellen.

Es ist mir dies nach einer verhältnissmässig einfachen Methode, die im wesentlichen schon Hr. Quincke) zur Herstellung von keilförmigen Silberschichten benutzt hat, gelungen.

1) Wernicke, Pogg. Ann. 155. p. 93. 1875.

2) Kundt, Wied. Ann. 34. p. 469. 1888; 36. p. 824. 1889.
3) du Bois u. Rubens, Wied. Ann. 25. p. 95. 1885; 47. p. 203. 1892.
4) Shea, Wied. Ann. 47. p. 177. 1892.

5) Lorentz, Wied. Ann. 46. p. 255. 1892.

6) Quincke, Pogg. Ann. 129. p. 184. 1866.

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