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6. Ueber eine Beziehung

zwischen der Dielectricitätsconstante der Gase und ihrer chemischen Werthigkeit;

von Robert Lang.

Die Versuche, eine Beziehung zwischen der Dielectricitätsconstante und der chemischen Constitution des Dielectricums zu finden, sind zahlreich. Man hat sich dabei hauptsächlich an die organischen Verbindungen gehalten, weil diese infolge ihrer übersichtlichen chemischen Zusammensetzung am ehesten die Auffindung einer etwa vorhandenen gesetzmässigen Beziehung erwarten lassen.

Für die Reihe der aromatischen Kohlenwasserstoffe fand Hr. Tomascewski1) ein Wachsen der Dielectricitätsconstante mit wachsender Moleculargrösse. Hr. Teres chin) hat dagegen keine Beziehung zwischen der Dielectricitäts constante und der Moleculargrösse oder anderen Constanten finden können, die mehr als annäherungsweise die Beobachtungen darstellte. Sodann liegen zahlreiche Untersuchungen vor hinsichtlich der Gültigkeit der Lorentz'schen Gleichung

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in erster Linie die der Hrn. Landolt und Jahn. 3) Hr.
S. Pagliani) stellte gewisse andere Formeln zwischen Mole-
culargewicht, Molecularvolumen und Anzahl der Atome in dem
Molecül auf, welche durch die Erfahrung besser bestätigt werden
sollten als die Lorentz'sche Formel. Hr. Runolfsson 5) findet
eine Beziehung zwischen Molecularwärme und Dielectricitäts-
constante. Besonderen Erfolg hatte Hr. Ch. B. Thwing), der
seine Messungen nach einer von H. Hertz erdachten Methode
1) Tomascewski, Wied. Ann. 33. p. 33. 1888.
2) S. Tereschin, Wied. Ann. 36. p. 792. 1889.
3) Landolt u. Jahn, Berl. Ber. 1892. p. 369.
4) S. Pagliani, Beibl. 17. p. 842, 1080. 1893.

5) Runolfsson, Beibl. 17. p. 134. 1893.

6) Ch. B. Thwing, Zeitschr. f. phys. Chem. 14. p. 286. 1894.

anstellte und für die Dielectricitätsconstante flüssiger und fester Stoffe zur Formel gelangte

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wo D die Dichte, M das Moleculargewicht, a, a,..., K1, K2 ....... die Anzahl von Atomen oder Atomgruppen einer und derselben Art in dem Molecül bez. die Dielectricitätsconstante derselben. bedeuten. Die Formel gibt für Wasser, eine grosse Reihe flüssiger organischer Verbindungen und eine Anzahl fester Körper (Eis, Schwefel, Gyps etc.) überraschend gut mit der Erfahrung stimmende Werthe der Dielectricitätsconstanten.

Eine Untersuchung des Zusammenhanges der Dielectricitätsconstante der Gase mit ihrer chemischen Zusammensetzung ist, soweit der Verfasser sehen kann, nicht angestellt. Hr. P. Lebedew 1) hat zwar die Aenderungen der Dielectricitätsconstante von Dämpfen durch Druck, Temperatur und Aggregatzustandsänderung und ihre Beziehung zur Mossotti-Clausius'schen Formel untersucht, aber auf die chemische Constitution keine Rücksicht genommen. Und doch scheinen die Verhältnisse bei den Gasen, wie auch sonst, am einfachsten zu liegen. In der That hat sich dem Verfasser ein ausserordentlich einfacher Zusammenhang zwischen der Dielectricitäts constante der Gase und der Werthigkeitssumme der in dem Molecül verbundenen Atome ergeben. Dieser Zusammenhang ist im Folgenden dargelegt.

I.

Beziehung der Dielectricitätsconstante zur chemischen Valenz. Der Untersuchung sind die sorgfältigen Bestimmungen der Dielectricitätsconstanten der Gase durch Hrn. Boltzmann 2) zu Grunde gelegt, die durch die nach anderer Methode bestimmten Werthe des Hrn. Klemenčič) eine gute Bestätigung erfahren haben und welche auch in Uebereinstimmung sind mit dem Maxwell'schen Gesetz n2 = D. Die Gase befanden sich bei den Beobachtungen auf Zimmertemperatur

1) P. Lebedew, Wied. Ann. 44. p. 288. 1891.
2) Boltzmann, Pogg. Ann. 155. p. 403. 1875.

3) Klemenčič, Sitzungsber. der Wien. Akad. 91. p. 712. 1885.

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und unter dem jeweils herrschenden Luftdruck. Die Umrechnung auf 0° C. und 76 cm Barometerstand geschah mittels des einzigen über die Dielectricitätsconstante der Gase bekannten und von Hrn. Boltzmann1) aufgefundenen Gesetzes (eines physikalischen), dass K-1 dem Druck direct und der absoluten Temperatur indirect proportional ist. Setzt man die Dielectricitätsconstante des Aethers = 1, so fanden jene Forscher für die Dielectricitätsconstante K:

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Die Uebereinstimmung der auf gleiche Gase sich beziehenden Werthe ist, wie man sieht, eine gute. Abweichende Werthe haben Ayrton und Perry2) angegeben; wir halten uns für berechtigt, sie ausser Acht zu lassen.

Bezeichnet man die Dielectricitätsconstante wie üblich mit K, so lassen sich die obigen Werthe auf die Form bringen K = 1 + (K − 1).

Der erste Summand bezieht sich auf den Aether, der zweite muss also den Einfluss des betreffenden Gases angeben. K-1 heisst Electrisirungszahl und ist für Gase klein gegen 1. Bildet man nun für jedes Gas den Quotienten aus K-1 und der Werthigkeitssumme s der in dem Molecül enthaltenen Atome, so ergiebt sich folgende Tabelle.

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Die erste der Zahlen in den Spalten 2 und 3 bezieht sich jedesmal auf Boltzmann's, die zweite auf Klemenčič's Werthe. Angesichts der trotz guter Uebereinstimmung der Boltzmann'schen und Klemenčič'schen Zahlen vorhandenen Schwankungen wird man die Constanz der Zahlen der dritten Spalte merkwürdig finden. Das Mittel ergiebt

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Nur für Wasserstoff findet sich ein etwas höherer Werth, der aber, wie später gezeigt werden soll, seine ungezwungene Erklärung darin findet, dass 0° C. und 76 cm Bar. für die übrigen Gase,,übereinstimmende Zustände" im Sinne van der Waals1) sind, für Wasserstoff aber nicht. Diese Regelmässigkeit, wie wir sie zunächst nennen wollen, lässt sich nun in zweierlei Weise weiter verfolgen, bez. bestätigen, nämlich einmal für die übrigen permanenten Gase und eine Anzahl anderer Gase und Dämpfe durch Berechnung von K aus dem absoluten Brechungsquotienten des Lichtes, sodann für einige Aethylverbindungen auch direct aus den Bestimmungen der Dielectricitätsconstante von Klemenčič. folgende Tabelle.

Tabelle II.

Es ergiebt sich

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Die Werthe K-1 in dieser Tabelle sind, mit Ausnahme der drei letzten, aus dem absoluten Brechungsquotienten des Lichtes 2) berechnet und beziehen sich auch auf 0° C. und

4) van der Waals, Continuität des gasförmigen und flüssigen Zustandes p. 127. 1881.

2) Wüllner, 2. p. 193.

76 cm Bstd., die drei letzten Angaben sind directe Beobachtungen von Hrn. Klemenčič.

Was zunächst den ersten Theil von Tabelle II betrifft, so sieht man, dass die Werthe der dritten Spalte für die gleichzeitig in Tabelle I und II vorkommenden Gase sich in wünschenswerther Uebereinstimmung befinden, und ferner, dass auch für die anderen Gase O, N, NO, CN. H sich Werthe ergaben, die nicht weit vom früheren Mittel 123 abweichen. Für H ergiebt sich wieder ein höherer und zwar fast derselbe Werth wie in Tabelle I. Auch der Werth für O überschreitet das Mittel erheblich, was bei der grossen und entscheidenden Rolle, die der Sauerstoff bei der Electricitätserregung spielt, nicht verwunderlich ist. 1) Ebensowenig kann der niedere Werth für Stickstoff befremden im Hinblick auf Lord Rayleigh's und Prof. Ramsay's Entdeckung, dass atmosphärischer und ,,chemischer" Stickstoff sich so verschieden verhalten. Das Mittel aus der ersten Hälfte von Tabelle II ist 118.

Zum zweiten Theil der Tabelle II ist zu bemerken, dass die den chemischen Molecular formeln vorgesetzten kleinen Zahlenfactoren die Anzahl der in einer Gruppe vereinigten Molecule bedeuten. Es wurde also die auch sonst in der Chemie nöthige und zulässige Annahme gemacht, dass die Molecule zu Complexen vereinigt sind. Trotz der theilweise complicirten Constitution der hier aufgezählten Gase bez. Dämpfe entfernen sich die Werthe der dritten Spalte nicht allzuweit vom früheren Mittelwerth. Uebrigens ist das Mittel aus dem zweiten Theil 121 und fällt zugleich zusammen mit dem Mittel aus sämmtlichen Werthen beider Tabellen.

Wie man sieht, ist die gefundene Regelmässigkeit so gross, als sie überhaupt angesichts der in der Methode liegenden Beobachtungsfehler und der Heterogenität des dem Verfasser verfügbaren Zahlenmaterials erwartet werden kann. Wir betrachten daher die gefundene Regelmässigkeit als allgemein gültig und kommen zum Schlusse, dass für alle Gase bei 0° C. und 76 cm Bar. der Quotient aus der Electrisirungszahl K – 1 und der Werthigkeitssumme s der in dem Molecül oder der Molecülgruppe vereinigten Atome eine Constante ist. Wir bezeichnen

1) Vgl. C. Christiansen, Wied. Ann. 53. p. 427. 1894.

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