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Vorrede zur ersten Auflage.

Beim Schreiben eines Briefes steht das Bild Dessen, an welchen

der Brief gerichtet ist, lebhaft vor unserer Seele, und wir sinnen darauf, Alles so zu fassen, daß wir ihm, wie er nun gerade denkt und fühlt, recht verständlich werden und zu Herzen reden. Dieses Streben jedes freundlichen Briefschreibers gibt den meisten Briefen eine Wärme, welche sogenannten rein objectiven Darstellungen fehlt.

Beim Schreiben eines Lehrbuches sollten wir wie beim Briefschreiben zu Werke gehen, ja nicht einzig und allein den Lehrgegenstand ins Auge fassen, sondern von dem herzlichen Bestreben, unsern lieben Lesern recht verständlich zu werden, beseelt sein.

Die bestimmten Leser eines Lehrbuches sind nun theils Lehrer, welche nach dem Buche lehren, theils Schüler, welche nach demselben gelehrt werden, oder auch Solche, welche sich selbst aus dem Buche belehren wollen. Wer in den Gegenständen des Lehrbuches, das er schreibt, mit dem ernstlichen Wunsche, seinen Schülern recht faßlich zu sein, selbst unterrichtet hat; wer beim Unterrichten auch gern hinhörte, wenn der Schüler ihn über Das, was er nicht verstanden, befragte: der mußte auf solchem Wege Manches lernen, was Jemand, der sich nur mit der Wissenschaft, nicht mit dem Lehren derselben beschäftigt, nicht erfahren kann. Möchte dies Lehrbuch doch dem sachkundigen Leser verrathen, daß es auf dem Wege des Lehrens entstanden ist!

Mit Schüchternheit spreche ich von dem Gegenstande oder vielmehr von den Gegenständen des Lehrbuches. Darüber wird sich Keiner wundern, wer nur den gegenwärtigen Zustand der Wissenschaft etwas kennt. Es dürfte Jemand behaupten: jede der fünf Hauptabthei= lungen des Buches verlange eigentlich ihren Mann ganz; ja oft verlange ihn eine Unter- oder Unterunter-Abtheilung. Ob denn, dürfte er fragen, wol eines Menschen noch so thätiges wissenschaftliches Leben hinreiche, um auch nur etwa die dritte Hauptabtheilung: die physikalische

Geographie, gründlich zu studiren, oder auch nur deren dritte Unterabtheilung: vom festen Lande, oder in dieser Unterabtheilung nur die Gebirgskunde, oder in der Gebirgskunde nur die Lehre von den Mineralien, oder in der Mineralogie nur die Lehre von den Krystallen, ja in der Krystalllehre nur die optischen Eigenschaften der Krystalle, welche fast allein zwei der bedeutendsten Physiker unserer Zeit beschäf= tigen. Aber auch abgesehen von der Unergründlichkeit jeder Thatsache der Schöpfung, so sei es schon eine unermeßliche Aufgabe, nur histo= risch Das kennen zu lernen, was Bedeutendes über die in diesem Lehrbuche abgehandelten Gegenstände geschrieben worden ist.

Diese Einwürfe dürften wol einen Bessern, als ich bin, niederschlagen und von der Aufgabe, ein Lehrbuch der allgemeinen Geographie zu schreiben, zurückschrecken, wofern an ein Lehrbuch wirklich solche Ansprüche zu machen wären. Ein Lehrbuch muß nämlich in wahren, starken Umrissen nur die Hauptthatsachen der behandelten Wissenschaft enthalten, Thatsachen, deren klare, sichere Auffassung den Schüler fähig macht, später feineren, höheren und tieferen Forschungen zu folgen. Enthielte ein Lehrbuch das Feinste und Abstruseste, ja vielleicht nicht einmal bis zur Klarheit Durchgearbeitete, was die neuesten wissenschaftlichen Forschungen zu Tage gefördert: so würde es gewiß dem Lehrzwecke nicht entsprechen. Ich will nun über die einzelnen Abtheilungen meines Buches einige Bemerkungen machen, welche besonders für Lehrer, die sich desselben bedienen wollen, bestimmt sind.

Erste Abtheilung. Mathematische Geographie. Ehe man an mathematische Berechnung eines Krystalls denken kann, ist es nothwendig, das Bild desselben - seine Flächen, Kanten, Ecken 2c. —sinnlich aufzufassen. Ebenso scheint aller höheren calculirenden Astronomie und mathematischen Geographie dies vorangehen zu müssen, daß der Schüler ein inneres Bild des Systems und der Bewegungen der Planeten erhalte, theils durch einige Betrachtung von Sonne, Mond und Sternen, theils durch Planetarien, Himmels- und Erdgloben, Zeichnungen und Beschreibungen. Ich fand es hierbei gerathen, dem historischen Entwickelungsgange, welchen die Astronomie genommen hat, zu folgen, und zuerst die vorcopernicanische, der sinnlichen Betrachtung sich anschließende Ansicht zu geben, dann erst den großen Umkehrungsproceß des Copernicus. Die Schriften von Bode und die des ebenso gründlichen als populairen Brandes unterstüßten mich ganz vorzüglich. Das hierher gehörige Blatt Nr. 4 von Stieler's großem Atlas ist sehr zu empfehlen.

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Die zweite Abtheilung befaßt die Beschreibung der Erdoberfläche, Geographie im engsten Sinne. Diese muß aller Be schreibung einzelner nach politischen Grenzen abgetheilter Länder vorangehen. Die politische Abtheilung hat ja großentheils, besonders in unserer Zeit, gar nichts mit jenen natürlichen, durch Gebirge, Flüsse 2c. aufgeprägten Charakteren zu schaffen; daher denn die Beschreibung von Flüssen, Gebirgen 2c., wenn sie sich an die politische Länderbegrenzung anschließt, ganz zerrissen und unzusammenhängend wird. Ein Beispiel möge dies recht klar machen. Ich habe den Lauf des Rheins von der Quelle bis zum Meere als Ein Ganzes dargelegt. Wer sich aber nach den politischen Ländereintheilungen richtet, wird den Rhein zuerst etwa unter den größern Flüssen der Erde, 2) Europas, 3) der Schweiz, 4) Deutschlands, 5) Frankreichs, 6) Hollands anführen. Weiter bei den einzelnen Cantonen der Schweiz, nämlich 7) bei Graubündten, 8) St. Gallen, 9) Thurgau, 10) Schaffhausen, 11) Zürich, 12) Aargau, 12) Basel. Ferner bei den einzelnen Theilen Deutschlands, als 14) Tyrol (als Grenzfluß), 15) Würtemberg, 16) Baden, 17) Rheinbaiern, 18) Großherzogthum Hessen, 19) Nassau, 20) Rheinpreußen; zuleht noch bei den einzelnen Provinzen Hollands, als 21) Geldern, 22) Südholland. So wird sich der Leser aus 22 verschiedenen Stellen der Geographie das Bild des Rheins stückweise zusammenseßen müssen. - Mit den Begriffen der Gebirge, z. B. der Alpen, muß es ihm ebenso gehen.

Meine Beschreibung beginnt mit den Meeren, dann folgen die Erdtheile. Die Gebirge gehen den Flüssen voran, welche, gewöhnlich Gebirge und Meer verbindend, beide ins Gedächtniß zurückrufen und so dem Lehrer die beste Gelegenheit zu einer Repetition geben. Bei der Eintheilung der Meere traf ich mit Berghaus oft zusammen; mehrere Größenbestimmungen entlehnte ich von ihm; hinsichtlich der Begriffe von Gebirgsganzen weiche ich aber vielfach von ihm ab.

Zum Aufführen eines Gebirges, Flusses 2c. bestimmte mich entweder dessen natürliche oder seine historische Bedeutenheit, oder beide verbunden. Der Ob, der Jenisei, die Lena 2c. müssen wegen ihrer Größe genannt werden, wiewol sie durch eine geschichtliche Wüste fließen, dagegen verhältnißmäßig kleine Flüsse, wie der Jordan, die Tiber, Themse u. a.,, wegen ihrer historischen Wichtigkeit aufzuführen sind; der Rhein, der Euphrat u. a. haben zugleich natürliche wie historische Bedeutenheit. Ich bemerke dies um so mehr, als einige Lehrbücher der neuern Zeit mir darin zu fehlen scheinen, daß sie von der

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