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zuführen sein, welche überhaupt schwieriger ist als die Zeit

messung.

Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen gehören Drucken an, bei welchen die mittlere Weglänge schon so gross ist, dass man für diesen Fall die Theorie nicht mehr strenge anwenden kann; sie scheinen wenigstens beim Wasserstoff eine Abnahme mit wachsender Verdünnung zu zeigen, wie ja auch der Gastheorie zufolge zu erwarten ist.

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Immerhin muss die Uebereinstimmung dieser Zahlen sehr bemerkenswerth erscheinen, wenn man bedenkt, dass durch Berücksichtigung dieses einfachen Gesetzes für den Temperatursprung sich Beobachtungen an zwei Apparaten erklären lassen, bei denen die Dicke der ins Spiel kommenden Gasschichten wie 1:5 variirte, und bei welchen der Druck bis unter 0,001 mm sank, wo dann der scheinbare Wärmeleitungscoefficient in einem Falle nur mehr den 150ten Bruchtheil des normalen beträgt.

Auffallend ist der grosse Werth des Temperatursprungcoefficienten für Wasserstoff. Während Kundt und Warburg bezüglich der inneren Reibung fanden, dass der Gleitungscoefficient für Wasserstoff und Luft annähernd dasselbe Vielfache der mittleren Weglänge beträgt, ist er hier für ersteren fast das 7 fache, für Luft nur das 1,7 fache.

Ich vermuthe, dass der Grund darin liegt, dass die Wasserstoffmolecule wegen ihrer geringen Masse auch einen geringen Theil ihrer lebendigen Kraft beim Zusammenstoss mit den Molecülen des festen Körpers austauschen.

Die Resultate nochmals kurz zusammenfassend, kann man also sagen: Während der Wärmeleitungscoefficient im Inneren eines Gases bis zu sehr grosser Verdünnung constant ist, wird bei niedrigen Drucken der durch die Poisson'sche Grenzbedingung verlangte Temperatursprung von Einfluss, welcher analog der Gleitung der Gase gleich ist dem Product aus der mittleren Weglänge des Gases und dem constanten Temperatursprungcoefficienten. Als Werth des letzteren ergeben die Versuche

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M. Smoluchowski.

Wärmeleitung in verdünnten Gasen.

Dieser Temperatursprung kann natürlich je nach Umständen eine beträchtliche Grösse erreichen; er betrug z. B. für Wasserstoff im Apparate I bereits bei 1 mm Druck ein Viertel der ganzen Temperaturdifferenz, das ist ca. 7o. Bei den grössten Verdünnungen, wenn die Gefässdimensionen klein sind gegenüber der mittleren Weglänge, wird schliesslich die Temperatur des Gases im ganzen Zwischenraume constant und zwar gleich einem Mittelwerthe der beiderseitigen Begrenzungstemperaturen sein.

Die in dieser Arbeit mitgetheilten Versuche wurden im physikalischen Institute der Universität Berlin ausgeführt; es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle dem Leiter desselben, Herrn Professor Warburg, für die Anregung zu dieser Untersuchung und für die vielfachen Rathschläge, die er mir im Laufe derselben zu Theil werden liess, meinen besten Dank auszudrücken.

(Eingegangen 28. November 1897.)

10. Zur Theorie der anomalen electrischen

Dispersion; von P. Drude.

(Aus den Ber. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch., Math.-phys. Klasse, November 1897. Mitgetheilt vom Verfasser.)

Die Thatsache, dass viele Substanzen für electrische Schwingungen schneller Periode eine nicht ihrer Leitfähigkeit entsprechende, sondern anomale Absorption und eine weit kleinere Dielectricitätsconstante, als bei langsamen electrischen Schwingungen, besitzen, ist deshalb so auffallend, weil man zunächst aus Analogie mit den optischen Erscheinungen derartige Anomalien erst bei denjenigen Schwingungsperioden erwarten sollte, welche in der Grössenordnung vergleichbar mit den Eigenschwingungsperioden der Molecule sind. Nun sind aber die electrischen Schwingungen, bei denen unter Umständen diese Anomalien schon auftreten, noch so langsam, dass man ähnlich langsame Eigenschwingungsperioden der Molecule für wenig wahrscheinlich halten wird; mindestens ist zu versuchen, wie weit man zu einer den Thatsachen entsprechenden Theorie dieser Erscheinungen auch ohne die Hypothese sehr langsamer Molecular-Eigenschwingungen gelangen kann.

Die Richtung, in welcher ein derartiger Versuch unternommen werden kann, ergiebt sich nun aus einem genaueren Vergleich der Eigenschaften der electrischen und der optischen Anomalie: abgesehen davon, dass beide Erscheinungen in sehr verschiedenen Schwingungsperioden sich abspielen, besteht ein wesentlicher Unterschied in der Breite der Absorptionsbanden. Obwohl für die electrischen Schwingungen die volle Ausdehhung des Absorptionsgebietes noch bei keiner Substanz ermitelt worden ist, so kann man doch schon behaupten, dass das electrische Absorptionsgebiet sich in stetig wechselnder Intensität über ein wesentlich grösseres Gebiet von Wellenlängen rstreckt, als die Absorptionsbanden der optisch anomalen örper. So konnte ich1) bei mehreren Körpern, welche starke

1) P. Drude, Abhandl. d. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Math.physik, Klasse 23. p. 1. 1896; Wied. Ann. 58. p. 1. 1896.

Absorption bei der (in Luft gemessenen) Wellenlänge λ = 75 cm zeigten, auch merkbare, allerdings schwächere Absorption bei λ = 200 cm nachweisen.

Vom Standpunkte der Theorie der optischen anomalen Dispersion sind nun die Absorptionsbanden um so breiter, je stärker die Dämpfung der Eigenschwingungen der Molecule ist. In dieser optischen Theorie nöthigt die Schmalheit der Absorptionsbanden zu der Annahme, dass die Dämpfungsconstante der Eigenschwingungen der Molecule ziemlich klein ist. Sie gewinnt dadurch Einfluss auf die Erscheinungen nur dann, wenn die Periode der Lichtschwingungen in der Nachbarschaft der Molecular-Eigenschwingungen liegt. Halten wir nun den allgemeinen Standpunkt der Theorie der optischen Anomalie auch hier im electrischen Gebiete fest, so werden wir jedenfalls durch die Breite des Absorptionsgebietes zu der Annahme sehr grosser Dämpfungsconstanten gezwungen. Diese gewinnen dann aber Einfluss auf die Erscheinungen, selbst wenn die Periode der einfallenden Schwingungen sehr viel langsamer ist, als die Eigenschwingungsperiode der Molecüle; ja man kann als extremen Fall letztere als verschwindend annehmen im Vergleich zur Periode der einfallenden Schwingungen.

Dieser extreme Fall deckt sich dann in der Vorstellung mit einer Auffassung, die zuerst in einer Arbeit von Millikan1) als ein Gedanke von Nernst ausgesprochen worden ist, nämlich die anomale electrische Dispersion durch Anwesenheit kleiner Bestandtheile gewisser Leitfähigkeit in isolirender Umgebung zu erklären. Es würde dies also eine Beschaffenheit des Körpers sein, die Maxwell2) zur mathematischen Darstellung der electrischen Rückstandserscheinungen herangezogen hat.

Nachdem ich schon früher) diesen extremen Standpunkt, nämlich völlige Vernachlässigung der Molecular-Eigenschwingungen, wegen seiner besonderen Einfachheit und grösseren Wahrscheinlichkeit hervorgehoben habe, möchte ich im Folgenden

1) R. Millikan, Wied. Ann. 60. p. 376. 1897.

2) Cl. Maxwell, Electr. u. Magnetism., deutsch von Weinstein, Berlin 1883, p. 471 ff. Art. 328-330.

3) P. Drude, Wied. Ann. 60. p. 505. 1897; Zeitschr. f. physik. Chem. 23. p. 324. 1897.

näher nachweisen, dass man von beiden Ausgangspunkten aus, nämlich aus der allgemeinen Dispersionstheorie und aus der Vorstellung des mit Leitern untermischten Isolators, zu denselben Resultaten geführt wird. Ferner werde ich diese Resultate der Hand des bisher vorliegenden Beobachtungsmaterials prüfen.

I. Alle Theorien der optischen anomalen Dispersion, sowohl die mechanischen, als die electrische Theorie der Valenzschwingungen, als die Theorie der electrischen Schwingungen in electrisch nicht geladenen Molecülen führen1) zu folgender Gleichung für den Brechungsexponenten n einer Substanz und ihren Absorptionsindex 2) x:

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T bedeutet die Periode der einfallenden Schwingung. Das -Zeichen über den Index h deutet an, dass mehrere Molecülgattungen vorhanden sein können. Die Constante a misst die Dämpfung der Molecül-Eigenschwingungen, b, ist bei fehlender Dämpfung gleich dem Quadrat der Eigenschwingung der betreffenden Molecülgattung.

Nehmen wir letztere als verschwindend an im Vergleich zu den angewandten Perioden 7, d. h. setzen wir b1 = 0, so entsteht aus (1):

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Für sehr kleine Perioden T strebt hiernach n2 und x den Grenzwerthen zu:

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1) Vgl. z. B. mein Buch: Physik des Aethers p. 527.

2) Der Absorptionsindex x ist dadurch definirt, dass die Amplitude auf der Strecke von einer Wellenlänge (in der Substanz) im Verhältniss 1: ex abnimmt.

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