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Schwingungszahlenbestimmungen bei sehr

hohen Tönen; von Ant. Appunn.1)

Ueber Beobachtungen sehr hoher Töne wie auch über die Mittel zur Darstellung hoher Töne hat schon so mancher Austausch verschiedener Anschauungen stattgefunden; jedoch ergaben die verschiedenen Versuchsmethoden auch stets die verschiedensten und sich oft widersprechendsten Resultate.

Das Beobachten sehr hoher Töne erfordert eine mit grossen Anstrengungen verbundene Uebung. Versuche mit hohen Tönen, von Fall zu Fall, führen meistens zu irrthümlichen Resultaten. Das Gehör lässt sich durch ausdauernde Uebung so heranbilden, erziehen, dass es im Stande ist, einen musikalischen Ton in jeder, auch in der höchsten Tonlage festzustellen, zu bestimmen.

Diese Fähigkeit hat z. B. mein Gehör durch jahrelange Uebung soweit erreicht, dass ich in der Lage bin, den Beweis dieser Thatsache experimentell führen zu können.

Und doch wird in der bezeichneten Abhandlung der Versuch gemacht, Differenzen an meinen Apparaten bis zu 40000 Schwingungen nachzuweisen.

Auf p. 777 heisst es wörtlich: ,,Was die untersuchten Apparate anbetrifft, können wir nicht umhin, unserer Verwunderung darüber Ausdruck zu geben, dass eine so verdiente Firma, wie die Appunn'sche, Schwingungszahlen an die Gabeln und Pfeifchen zu schreiben vermochte, die um Beträge bis zu 40000 von den wahren abweichen. Wie viele Physiker, Physiologen und Ohrenärzte sind dadurch getäuscht worden."

Diese negativen Resultate über die Tonhöheangaben der hohen Stimmgabeln und ganz insbesondere meiner hohen Pfeifchen können nur allein durch die verfehlten Prüfungsmethoden hervorgerufen worden sein.

1) C. Stumpf u. M. Meyer, Wied. Ann. 61. p. 760-779. 1897.

Sehr merkwürdig muss es doch erscheinen, dass die hohen Stimmgabeln und die hohen Pfeifchen die Prüfungsversuche bis zu 8000 Schwingungen als richtig angegeben bestehen, aber von da an aufwärts Differenzen aufzeichnen sollen, die die aufsteigenden Töne zu Tonhöhen herunterstimmen, die kaum diese 8000 Schwingungen übersteigen, während doch der Tonkörper immer kleiner wird.

Sobald man bei der sechsgestrichenen Octave angekommen ist, erklingt von da an aufwärts fast ein Ton wie der andere. Besonders schwierig ist die Beobachtung der Stimmgabeln, weil der Ton in hoher Lage unangenehm scharf klingt und das Streichen mit dem Bogen ein vernehmbares Geräusch verursacht, wodurch die Aufmerksamkeit für die Beobachtung der eigentlichen Tonhöhe wesentlich beeinträchtigt wird. Auch die Combinationstöne sind hier nicht mehr mit Sicherheit anzuwenden. Man ist also darauf angewiesen, die hohe Tonfolge einigermaassen durch Berechnung des Stufenfalles der Längen der Gabelzinken erreichen zn müssen, wobei man jedoch sein geübtes Ohr immerhin als Hauptstütze zu Hülfe nehmen muss. Durch reiche Erfahrungen kommt man auch zu Hülfsmitteln, die selbst diese schwierige Arbeit erleichtern.

Es ist z. B. Niemanden möglich, die Appunn'sche Stimmgabelreihe, die schon so viel besprochen worden ist, in unmittelbarer Nähe der Schallquelle auf die richtig auf- oder absteigende Tonfolge zu prüfen; denn es kann eine Gabel schwächer oder stärker als die Nachbargabel erklingen; das kann durch verschiedene Beschaffenheit des Metalles veranlasst werden, wodurch die grössten Täuschungen und Irrthümer entstehen können. Klingt die zunächst höhere Gabel etwas schwächer als die vorherige, so erscheint der höhere Ton stets tiefer. Will man sich von der Richtigkeit der Stufenfolge des Appunn'schen Stimmgabelapparates überzeugen, dann lasse man die Stimmgabeln durch einen Gehülfen langsam anstreichen, während man die Töne in einem anstossenden zweiten Zimmer beobachtet. Die Töne treten hier ohne die Nebengeräusche auf und der aufmerksame und besonders sachkundige Beobachter wird die zum Theil unglaublichen Ausstellungen, die diese Serie schon erfahren musste, suchen müssen. Dieses Experiment habe ich in Gemeinschaft Preyer's wiederholt

angestellt. Dieselben Experimente haben auch Preyer zu sagen veranlasst, wie früher1) angeführt ist: ,,dass man vollkommen deutlich erkenne, wie bei der Gabelserie die Töne bis zum letzten immer höher werden".

Diese Gabelserie, aus der Werkstätte meines verstorbenen Vaters, mit der diese Beobachtungen angestellt wurden, ist noch in meinem Besitz.

Sie ist noch heute ein Musterexemplar, nach dem ich schon so manches Stück nachgebildet habe. Dass damit so viele Physiker, Physiologen und Ohrenärzte getäuscht worden sein sollten, ist eine sehr gewagte Behauptung. Wer sich diese Gabelreihe von mir vorführen lässt, gewinnt die Ueberzeugung der richtigen Folge der Tonreihe voll und ganz.

Ueber das Exemplar des Berliner Seminars kann ich mir ein Urtheil nicht erlauben, ich kenne es nicht, behaupte aber immerhin, dass es die groben Differenzen, die ihm die Abhandlung nachweist, nicht zeigt; jedoch ist ein Irrthum oder Versehen bei der Zusammensetzung nicht auszuschliessen.

Mag es nun mit den hohen Gabeln zweifelhaft stehen, so ist man eben um das Mittel, den gründlichen Beweis für die Richtigkeit zu liefern ausser Stand gesetzt, weil man den Tonkörper nicht durch bestimmte Berechnung herstellen kann; ein gutes Gehör ist hier nur allein maassgebend.

Die von mir angegebenen Schwingungszahlen sind unter solchen Umständen auch ermittelt und ich behaupte auch fest und sicher, dass die Angaben nahezu richtig sind; das Gegentheil kann durch die bis jetzt angewandten Prüfungsmethoden absolut nicht nachgewiesen werden. Solange die Gabelzinke durch Schreib- und Streichvorrichtung belastet werden muss, kann die Tonhöhe einer hohen Gabel mit Sicherheit nicht bestimmt werden. Ein Feilenstrich schon kann. die kleine Gabel um hunderte von Schwingungen verändern, wie viel mehr noch eine Belastung der Gabelzinke. Gerade die schwierige und unsichere Behandlung der Darstellung hoher Töne durch Stimmgabeln hat mich veranlasst, die Darstellung sehr hoher Töne durch Pfeifchen zu ermöglichen.

Die Körperlänge der Pfeifchen kann bis zur höchsten Höhe

1) l. c. p. 778.

genau berechnet und auch praktisch ausgeführt werden. In der Abhandlung1) heisst es zwar:,,Die blosse Berechnung aus den Dimensionen der Klangquelle leitet nicht sicher, da wir die Bedingungen und Gesetze der Tonbildung bei winzigen Pfeifchen nicht hinreichend übersehen können."

Allerdings lassen sich die Bedingungen und Gesetze der Tonbildung auch bei den kleinsten Pfeifen übersehen. Die Tonbildung entsteht in der kleinsten ebenso wie in der grössten Pfeife unter gleichen gesetzmässigen Bedingungen; deshalb ist uns auch die Möglichkeit geboten, die Pfeifenlänge für jede Schwingungszahl bestimmen zu können.

Für die Berechnung der Pfeifenlängen ist die harmonische Tonreihe, die man durch Theilung der schwingenden Saite erhält, maassgebend. So ist z. B. das Verhältniss der Octave = 1:2. Soll die Octave mit dem Grundton rein zusammenstimmen, so muss, bei gleichem Winddruck der Anblasevorrichtung, die Länge für die Octave im Verhältniss 4:2 und der Querschnitt wie 4:3 stehen, weil die Hälfte des Querschnittes erst auf die Doppeloctave fällt. Die Tonstärke nimmt natürlich auch mit der Verminderung des Querschnittes ab, sodass dieselbe nach der Höhe soviel abnimmt, dass in den höchsten Tonregionen kaum mehr ein Ton wahrgenommen und deshalb schwer beobachtet werden kann. Man muss also nach der Höhe hin eine Steigerung der Tonqualität zu erreichen suchen. Dieses Mittel ist uns auch gegeben in der Flöte und dem Piccolo.

Flöte und Piccolo sind durch ihre ganzen Tonscalen gleichmässig mensurirt und doch sind alle Octaven, bei richtiger Behandlung, bis zur äussersten Höhe rein und von wirksamer Tonstärke. Die Theilung der Octaven vollzieht sich hier auch im Verhältniss 2: 1; aber die Octave wird noch durch doppelten Winddruck hervorgerufen. Die Orgelpfeife zeigt diesen Vorgang noch greifbarer. Die offene Pfeife schlägt bei starkem Wind in die Octave über, die zum Grundton der Pfeife genau im Verhältniss 1:2 steht. Die gedeckte Pfeife schlägt unter denselben Umständen in die Duodecime über, genau im Verhältniss 1:3. Also 1/3 der ganzen Länge ergiebt, bei gleicher

1) 1. c. p. 760.

Mensur des Tonkörpers, demnach bei genügendem Winddruck die Quinte der Octave mathematisch richtig an. Wird der Winddruck bei beiden sich überblasenden Pfeifen vermindert dadurch, dass man die Kernspalte oder Stimmritze enger macht, erscheint bei beiden Pfeifen der Grundton.

Auf Grund dieser Thatsache habe ich meine Pfeifchen construirt und zwar nach meiner Ueberzeugung mit Erfolg.

Der Querschnitt meiner Pfeifchen ist durchweg gleich gross. Die Längen sind den Schwingungszahlen umgekehrt, der Winddruck den Schwingungszahlen direct proportional.

Um die nöthigen Winddrucksgrade zu erhalten, bediene ich mich der einfachen Wasserwaage, wie sie die Orgelbauer zur Messung ihres Winddruckes bei Orgeln anwenden. Eine Wassersäule, die man auf 60 cm Höhe ansteigen lassen kann, zeigt jeden Grad des Druckes an einer angebrachten Scala an.

Zum Einsetzen der Pfeife ist eine Vorrichtung an dem Windmesser angebracht. Mit etwas Uebung lässt sich dieser Apparat durch Einblasen mit dem Munde dirigiren, oder man kann einen gewöhnlichen Blasebalg anlegen. Meine Pfeifchen sind gedeckt und haben einen lichten Durchschnitt von 5 mm.

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Diese Tonhöhen lassen sich auch durch Anblasen der Pfeifchen mit dem Munde, ohne Messapparat, gut hervorbringen, man muss nur dabei beobachten, dass die Pfeifchen so stark angeblasen werden müssen, dass sie sich eben überschlagen wollen; eine Grenze findet sich auch hierfür. Schlagen die hohen Töne über, so hört man sie nicht mehr; denn der überschlagene Ton könnte nur die Duodecime sein, die aber so hoch liegt, dass man einen Ton nicht mehr wahrnehmen kann.

Durch schwaches Anblasen der kleinen Pfeife kann man wohl den fixirten Ton um eine Quarte bis Sexte tiefer intoniren, das kann jedoch nicht Veranlassung geben, sagen zu müssen, dass die auf den Pfeifen angebrachten Schwingungszahlen un

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